#52weeks52sports: Gardetanz


Kölle Alaaf: Endlich Tanzmariechen

Ich glaube, ich war ungefähr fünf Jahre alt, als eine Nachbarin bei uns an der Tür im urkölschen Köln-Nippes klingelte. Im Gepäck hatte sie ein kleines, rotes Gardekleidchen, einen Dreispitz mit winzigen Federn und - natürlich - ein Spitzenhöschen. Bekannte aus einem Karnevalsverein waren auf der Suche nach Nachwuchs für die Tanzgruppe.

Und da ich schon damals nicht stillsitzen konnte, hielt mich unsere Nachbarin für die ideale Kandidatin. Begeistert hüpfte ich damals in den winzige roten Stiefelchen, die zur Gardeuniform gehörten, durch die Gegend. Karneval hatte ich natürlich quasi durch die Geburt in Köln schon im Blut. Und Tanzen fand ich schon als Kind super. Aber irgendwie waren meine Eltern nicht besonders angetan von dem Gedanken, ich solle in Stiefelchen und Spitzenhöschen auf der Bühne tanzen. Und so endete meine Tanzmariechen-Karriere bevor sie begonnen hatte.

Tanzen und Lächeln ohne Pause

Heute finde ich es völlig ok, dass aus mir kein Tanzmariechen geworden ist. Und ich muss sagen, ich habe das ein oder andere Vorurteil, als ich zum Traininig des Tanzcorps Blau-Weiß Vilkerath fahre. In Gardeuniform ein bisschen die Beine schmeißen, ist das überhaupt ein Sport? Schon beim Aufwärmen mit den Mädels merke ich schnell: Ja, das ist ein Sport, und was für einer. Wer die Beine nach oben werfen will, muss gelenkig sein. Und anders als die meisten hier bin ich beim Spagat doch noch einige Zentimeter vom Boden weg. Die beiden Mädels links und rechts von mir sinken entspannt lächelnd problemlos mit gegrätschten Beinen bis auf den Boden. Bei mir zieht es ziemlich heftig in den Innenseiten der Oberschenkel. Und in der Wade. Und irgendwie ist auch meine Hüfte ganz schief. Aua.

Gardetanz ist eine Vollzeitbeschäftigung. Das Tanzcorps ist ab dem 11.11. bis Aschermittwoch im Dauereinsatz. Vor allem an den Wochenenden geht es mit dem Bus von einer Sitzung zur anderen, rauf auf die Bühne, alles geben, auch wenn der Fuß verrenkt ist oder die Nase läuft. Ein freier Sonntag während der Karnevals-Session? Fehlanzeige. Dazu kommt das regelmäßige Training. Mindestens einmal in der Woche geht die Tanzgruppe ihr Programm durch. Von jedem der Tänze gibt es zwei Versionen: Die erste für Veranstaltungssäle mit niedrigen Decken. Dort können zum Beispiel die Abschlussbilder nicht so hoch aufgebaut werden. Die Versionen für die Säle mit hohen Decken sind spektakulärer. Hier werden die Mariechen auch mal ein paar Meter weit durch die Gegend geworfen. Da muss man als Sportlerin nicht nur Mut, sondern auch Vertrauen haben, dass einen die Herren auch sicher auffangen.

Mit meinem Mut ist es nicht so weit her, als ich auf die Hände von Tanzcorps-Kommandant Marc springen soll. Aus Angst, über ihn drüber zu kippen, mache ich nur einen zaghaften Hüpfer und falle ihm um den Hals, anstatt wie bei Dirty Dancing über ihm zu schweben. Es braucht mehrere Anläufe, das gute Zureden der erfahrenen Mariechen und den engagierten Einsatz mehrerer Tanzoffiziere, bis ich es mit einem tapferen Sprung doch noch nach oben schaffe. Ganz schön wacklig, wenn die Körperspannung gerade Pause hat.

Tanzmariechen: Gerne klein und leicht

Nächste Übung: Auf die Schultern springen. Nachdem ich mehrmals gegen Marc gehüpft bin, statt elegant nach oben, kapituliert er. Georg übernimmt - er ist der starke Mann für die ganz schweren Fälle. Georg klärt mich erstmal darüber auf, dass ich viel zu zaghaft springe. Wer ganz nach oben will, muss mutig sein. Ich stelle mich also noch mal vor ihn, er greift mich von hinten an der Hüfte und ich stütze meine Hände an seinen Handgelenken ab. Tatsächlich zittere ich vor Aufregung. So viel zum Thema "ein bisschen Beine schwingen." Von wegen. Gardetanz ist Hochleistungs-Akrobatik. Ich nehme all meinen Mut zusammen, spanne den Körper, federe in die Knie und drücke mich ab. Huch! Hilfe. Ich bin oben. Erstmal erschrecke ich mich, weil ich nicht damit gerechnet hatte. Dann schnell die Arme zur Seite, Pose und schnell wieder runter. Ich will ja nicht, dass Georgs Bandscheiben kaputt gehen... Trainerin Evelyn und vermutlich auch alle Mariechen sind amüsiert. Für sie ist es völlig selbstverständlich, zu springen, in luftiger Höhe einen Spagat zu machen und durch die Gegend geworfen zu werden. Viele von ihnen tanzen allerdings auch schon seit ihrer Kindheit. Evelyn macht den Trainerjob jetzt seit 40 Jahren - in jedem Wort, dass sie über das Tanzen sagt, schwingt eine unglaubliche Begeisterung und Hingabe mit. Ich spüre: Sie liebt was sie tut, sie liebt den Gardetanz, Köln und den Karneval. Und wie sich das für eine echte rheinische Frohnatur gehört, ist Evelyn ehrlich: Als Tanzmariechen bin ich nicht zu gebrauchen. "Zu groß und zu schwer."

Aber Kommandant Marc macht mir Mut: Nicht jede Frau in einem Tanzcorps wird durch die Gegend geworfen. Es gibt auch die "normalen" Tänzerinnen - und ich glaube, da könnte ich meinen Platz finden. Denn auch, wenn ich keinen ordentlichen Spagat kann - das Bein kriege ich ganz gut nach oben und ein bisschen Rhythmusgefühl habe ich auch. Und im Gegensatz zu den gruselig wackligen Hebefiguren macht mir das Tanzen mit den anderen Mädels richtig Spaß. Meine Form von Gardetanz bleibt also das "Beine schwingen." Und auch das ist für Körper und Koordination anspruchsvoller als es aussieht. Seit heute habe ich großen Respekt vor den Tanzmariechen und den Tanzoffizieren, die während der Karnevals-Session alles geben, Kopf und Kragen riskieren und mit ihren wirklich spektakulären akrobatischen Tanz-Choreografien auf den Sitzungen quer durch NRW für Stimmung sorgen. Man darf sich von den Kleidchen und den Stiefelchen nicht blenden lassen: Gardetanz ist ein verdammt harter Sport, der viel Mut, Hingabe und Vertrauen in die Trainingspartner erfordert.

Kommentare: 4
  • #4

    Caroversum (Dienstag, 24 Januar 2017 10:22)

    @Andreas: ich sag's dir.... ;)

  • #3

    Caroversum (Dienstag, 24 Januar 2017 10:21)

    Marc, Dir noch mal tausend Dank fürs Mitnehmen. Das war mal eine ganz neue Erfahrung und hat echt Spaß gemacht!

  • #2

    Andreas B. (Dienstag, 17 Januar 2017 21:14)

    Coole Nummer!

  • #1

    Marc Sidon (Dienstag, 17 Januar 2017 16:11)

    Sehr schön geschrieben, liebe Caro!
    Freut mich sehr, dass es Dir so gut bei uns gefallen hat. Es hat auch uns sehr viel Spaß gemacht!
    Liebe Grüße vom gesamten Tanzcorps...