#52weeks52sports: Snowboarden


Powdern auf dem Hosenboden

Heute darf mir (theoretisch) jeder an den Po fassen. Ich spüre da eh nichts, so dick, wie ich gepolstert bin. Aufgrund des eindringlichen Rates einiger Freunde habe ich mich vor meinem ersten Versuch auf dem Snowboard gut ausgestattet: Prallschutzhose mit eingenähten Polstern und einem Platikschutz über dem Steißbein. Dazu noch ein Paar Knieschoner und unter die Skihandschuhe habe ich ein paar Handgelenksprotektoren gequetscht. Ich fühle mich wie das Michelin-Männchen. Aber schon nach der ersten Viertelstunde auf dem Board liebe ich meine Prallschutzhose heiß und innig. Denn ich knalle dauernd auf den Hintern. Egal. Ich will das lernen.

Unser Snowboard-Lehrer Ruud von der Snowboardschule Board.at in Saalbach-Hinterglemm fängt langsam mit uns an. Erstmal lernen wir, wie wir das Board anziehen, ohne dass es dabei unkontrolliert ins Tal schießt. Und wir lernen, wie wir mit beiden Füßen in den Bindungen elegant aufstehen können. Naja - mehr oder weniger elegant jedenfalls. Vorwärts aufstehen klappt auf flachem Boden nämlich so gar nicht bei mir. Irgendwie kriege ich mein gut gepolstertes Gesäß nicht übers Board geschoben und falle immer wieder wie ein Käfer auf den Rücken.

SNOW + SURF = Snurf

Das mit dem Snowboarden will ich schon lange ausprobieren. Zum einen, weil ich mir am Skifahren bisher die Zähne ausgebissen habe und sich der Spaß daran nicht so recht einstellen will. Irgendwie reizt mich das Snowboarden mehr. Ja, ich gebe zu, das hat vielleicht auch was mit den Baggy-Hosen, den Beanies und dem ganzen Boarder-Style zu tun. Ist das kindisch? Mag sein. Ist aber egal, wenn es mich beim Lernen motiviert. Außerdem habe ich die Hoffnung, dass mir das Boarden leichter fällt, weil ich auch Wakeboard fahre. Schließlich liegen die Wurzeln des Snowboardens ja im Surfen. Es waren vor allem Wellenreiter, die in den 60er Jahren mit Stücken aus alten Türen oder großen Spanplatten versuchten, das Surf-Feeling auf den Schnee zu übertragen. Ein erster Prototyp war der "Snurfer" ("snow" + "surfer"), der allerdings eher als schlecht kontrollierbares Kinderspielzeug wahrgenommen wurde. Der Snurfer hatte keine Bindungen, dafür an der Spitze ein Seil zum Festhalten. Verfeinert wurde das Board auf dem Schnee dann unter anderem von Snowboard-Pionier Jake Burton. Er machte die Bretter breiter und verpasste ihnen Bindungen. Heute ist Burton einer der Marktführer im Snowboard-Business. Erstmal blieb der Erfolg aber aus. Zum Einen, weil das Snowboard im Vergleich  zum Snurfer ziemlich teuer war. Zum anderen, weil Snowboarder damals in vielen Skigebieten noch nicht willkommen waren. Die Skilifte waren nicht für sie geeignet, sodass die Snowboard-Pioniere anfangs meistens zu Fuß den Berg hochklettern mussten. Auf den Pisten waren sie aber auch nicht gerne gesehen - Baggy-Hosen-Träger ohne dickes Portemonnaie waren damals wohl nicht das erwünschte Skipublikum in den feinen Skiorten. Deswegen war es gar nicht so unüblich, dass viele Snowboarder erst im Dunkeln die Pisten unsicher machten.

Feeling like Goofy

Wir müssen zum Glück nicht mehr im Dunkeln fahren - auch wenn ich mir das angesichts des neugierigen Publikums wünschen würde. Aber genauso wie die Pioniere gehen auch wir brav am Rand der Piste den Berg zu Fuß hoch. Im Tellerlift haben wir aufgrund von Kompetenzmangel noch nichts zu suchen.

Unsere erste Übung mit Snowboard-Lehrer Ruud: Skaten. Dabei ist nur ein Fuß auf dem Snowboard festgeschnallt, mit dem anderen schieben wir uns an - eben wie auf einem Skateboard. Ich fahre "goofy", also mit dem rechten Fuß vorne. Das passt, denn ich fühle mich tatsächlich wie der tollpatschige Freund von Micky Maus als ich in verdrehter Haltung ziemlich unbeholfen durch den Schnee schlingere. Die nächste Übung: Rückwärts den Berg runter rutschen - also auf der Frontside des Boards. Ich stelle mich mit dem Rücken zum Tal, Ruud nimmt meine beiden Hände, ich nehme etwas Druck von den Zehenspitzen und bewege mich langsam rückwärts bergab. Jetzt bloß nicht mit der Fersenkante im Schnee verhaken und auf dem Hinterkopf landen. Als nächstes ist Abrutschen auf der Backside angesagt. Mit dem Gesicht zum Tal fällt mir das mental zwar deutlich leichter - dafür falle ich aus Übermut aber alle paar Meter auf den Hintern und bin wieder dankbar für das dicke Polster in meiner Hose. Irgendwann lässt Ruud mich los und fängt an, mir seinen Handschuh zuzuwerfen. Ich bin also mit Werfen und Fangen beschäftigt und merke gar nicht, dass wir gerade zum ersten Mal den kompletten Hang runter gefahren sind. Hey, ich kann Snowboard fahren. Oh. Rums. Doch nicht.

Die nächste große Herausforderung ist der Tellerlift. Ich stehe wieder in der verdrehten Haltung mit nur einem Fuß in der Bindung. Hektisch greife ich nach dem Teller, klemme ihn mir zwischen die Beine und warte auf den Ruck. Der Lift reißt mich unsanft nach vorne - zum Glück hat der Liftbediener ihn vorher langsamer gestellt. Ruud hat ihn vorgewarnt: "Komplette Anfänger". Und offensichtlich hat hier keiner Lust, uns aus dem Schnee zu kratzen. Irgendwie schaffe ich es jedenfalls, das Gleichgewicht zu halten. Ruud hat vorher gesagt, dass sich das Board seinen Weg in der Liftspur selbst sucht. Mag ja sein, aber ehrlich gesagt ist mir dieser Weg nicht geheuer. Immer wieder hakt die Kante des Boards in der Schneespur fest und mir fällt ein Stein vom Herzen, als ich ohne Sturz oben aus dem Lift rutsche. Ein bisschen stolz bin ich aber schon: Erste Tellerliftfahrt erfolgreich absolviert. Außerdem stehe ich endlich oben auf dem Hügel und darf gleich runter fahren. Yeah. Ich bin eine Snowboarderin. Oder sowas ähnliches. Ruud lässt uns das "fallende Blatt" fahren - mit leichter Gewichtsverlagerung bewegen wir uns mit Blick zum Tal hin und her und gleiten dabei wie ein sanft fallendes Blatt langsam nach unten.  Als es flacher wird, werde ich übermütig und stelle das Board gerade. Und lerne: Das Ding kann verdammt spontan verdammt schnell werden. Instinktiv verlagere ich das Gewicht wie beim Wakeboarden auf die Fersen und fahre meine erste Kurve. Ruud lacht: "Ja, sehr geil." Er erklärt mir aber dann doch noch mal in Ruhe, wie ich ordentlich von der einen auf die andere Kante des Boards wechsle.

Lässiges glitzern in den Augen

Der Tellerlift bringt uns wieder nach oben, zur ersten richtigen Abfahrt mit dem Snowboard. Im steilen Stück hält Ruud mich noch an einer Hand fest - er will verhindern, dass ich unkontrolliert ins Tal schieße, falls das mit der Kurve doch schief geht. Als der steilste Abschnitt sicher überwunden ist, lässt Ruud mich los und ich versuche, an alles zu denken, was er mir vorher erklärt hat: Gewicht auf das vordere Bein, das Knie wie einen Joystick zum Drehen benutzen, nicht zu früh auf die neue Kante wechseln. Und es klappt tatsächlich. Ich fahre, ich mache Kurven, ich werde sogar ein bisschen schneller und komme in einen langsamen Rhythmus. Entspannt von der einen Kante auf die andere. Locker in den Knien. Was für ein gutes, lässiges Gefühl. Keine Spur von der Panik, die ich beim Skifahren manchmal habe. Ich könnte quietschen vor Glück - ich hätte nie gedacht, dass mir das so einen Spaß machen würde. Klar, wenn die Pisten steiler werden und Eisplatten unter dem Schnee durch kommen, dann ist auch Snowboarden nicht mehr ganz so lässig. Und als ich am Ende der Piste dann doch zu früh die Kante wechsle und mich beim Fallen mehrfach um mich selbst drehe, spüre ich deutlich, dass das nicht unbedingt eine kniefreundliche Sportart ist. Aber das Glitzern in den Augen, das Grinsen im Gesicht und das Kribbeln im Bauch sagen ganz deutlich: Das will ich nochmal machen!

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Kommentare: 11
  • #1

    Maddin (Dienstag, 24 Januar 2017 08:18)

    Wieder ein sehr schöner Artikel, liebe Caro.. :)
    Da bekomme ja selbst ich fast ein wenig Lust aufs Snowboarden! ;)

  • #2

    Andreas B. (Dienstag, 24 Januar 2017 08:39)

    Schön! Und mit zwei Brettern klappt das auch noch....

  • #3

    Caroversum (Dienstag, 24 Januar 2017 12:48)

    @Maddin: Dann los, ausprobieren;)

  • #4

    Caroversum (Dienstag, 24 Januar 2017 12:49)

    @Andreas: Hach.... vielleicht bleibe ich doch lieber bei einem Brett?!...

  • #5

    Maddin (Dienstag, 24 Januar 2017 15:57)

    @Caro: Wenn ich beim Wakeboarden auch so über die Kicker fliege & 180s und andere tricks mache, dann denke ich da ernsthaft drüber nach.. ;)

  • #6

    Verena (Dienstag, 24 Januar 2017 16:54)

    Super toller Artikel! :-)

  • #7

    Caroversum (Dienstag, 24 Januar 2017 17:17)

    @Verena Vielen Dank!

  • #8

    AnnKatrin (Mittwoch, 25 Januar 2017 12:34)

    Sehr cooler Beitrag�

  • #9

    Caroversum (Donnerstag, 26 Januar 2017 12:16)

    Danke, liebe AnnKatrhin. Nächstes Mal dann zusammen aufs Board :)

  • #10

    Maddin (Montag, 30 Januar 2017 16:09)

    Hallo Caro,
    hattest du dir eigentlich die Prallschutzhose und Protektoren extra gekauft oder kann man diese auch vor Ort ausleihen?

  • #11

    Caroversum (Montag, 30 Januar 2017 19:16)

    @Maddin: Hab ich mir gekauft - vor Ort leihen ging dort zumindest nicht!