52weeks52sports: Surfen

he'e Nalu

Ich bin gerade ein wenig ehrfürchtig. Wobei das eigentlich noch untertrieben ist. Schließlich hat alles hier angefangen. Ich bin in der Heimat des Surfens. Auf Hawaii. Von hier aus hat sich das moderne Surfen auf der ganzen Welt verbreitet. Und natürlich bin ich auch nicht auf irgendeiner Insel, sondern auf Oahu mit dem legendären North Shore, der Pipeline und dem berühmten Waikiki Beach. Entsprechend andächtig schlendere ich die ersten Meter an der Strandpromenade in Honolulu entlang. Hier reiht sich eine Surfschule an die andere. Und im Line Up weiter draußen sitzen die Surfer dicht an dicht auf ihren Brettern im Wasser und warten auf die nächste perfekte Welle.

Bewacht werden sie von Duke Kahanamoku. Er gilt als Vater des Surfens und er hat den Sport in die Welt hinaus gebracht. In Kalifornien und in Australien zeigte er den Menschen, was sich so alles mit einem Brett auf den Wellen anstellen lässt und sorgte so dafür, dass Surfen weltweit populär wurde. Kahanamoku wäre dieses Jahr 127 Jahre alt geworden. Seine Statue am Waikiki Beach ist für die Ewigkeit. Behängt mit bunten, duftenden Leis wacht sie am Ufer über die Surfer - und hoffentlich auch über die, die es mal werden wollen. Zumindest heißt er mich mit offenen Armen willkommen. Auch wenn es mich ein wenig irritiert, dass man eine Statue des berühmtesten Surfers der Welt mit dem Rücken zum Meer stellt.

Für mich ist schnell klar: Waikiki Beach ist nichts für mich. Viel zu voll und ich lege wenig Wert darauf, einem Local im Line Up in die Quere zu kommen. Wir reisen also erstmal ein bisschen rum, bevor wir uns für einen Surfkurs anmelden. Denn wenn wir schon auf Oahu sind, wollen wir natürlich auch zum North Shore. Wir legen uns erst am Sunset Beach und dann am Ehukai Beach in die Sonne. Hier bricht die berühmte Banzai Pipeline. Ein Mekka für Profi-Surfer. Als Touri dagegen sollte man sich vom Wasser fern halten. Denn auch wenn die Wellen hier gerade nicht mehr ganz so hoch sind, wie zur Zeit der Surfwettbewerbe vor ein paar Wochen, wären die Kraft der Brandung und der Strömung für uns wohl lebensgefährlich.

Die Locals stürzen sich dagegen begeistert ins Wasser. Einige Wellen brechen als beeindruckende Tubes, in denen die Surfer kurz verschwinden, um dann umgeben von spritzender Gicht plötzlich wieder aus der Wasserröhre heraus zu schießen. Ich habe einen riesigen Respekt vor dem Mut der Surfer. Der ein oder andere schafft es nämlich nicht rechtzeitig aus der Tube wieder raus und verschwindet im brodelnden, weißen Strudel der brechenden Welle. Dann sind nur noch einsame Surfboards zu sehen, die unkontrolliert auf dem Wasser tanzen. Aber zum Glück tauchen ihre Besitzer schnell wieder auf und paddeln zurück ins Line Up. Wir ziehen erst mal weiter nach Haleiwa, ein Surfer-Örtchen am North Shore. Viele relaxte, braun gebrannte Menschen, Food Trucks mit leckerem Essen und ein Surf-Shop neben dem anderen. In einem von ihnen kaufe ich mir eine Board Shorts und bekomme einen Tipp für Anfänger: Eine Surfschule an der Westküste. West Oahu SUP bietet Surfkurse am Strand eines abgesperrten Militärgeländes an. Hier ist kaum ein Mensch unterwegs und wir Anfänger dümpeln niemandem im Weg rum.

Einmal goofy - immer goofy

Die Jungs und ich haben erst mal jede Menge Fragen an unseren Surf-Lehrer Mana. Gibt es da draußen Haie? Dazu kommt von Mana nur ein entspanntes und ein wenig belustigtes "Relax!" Natürlich wollen wir auch wissen, wie man die richtige Welle erkennt. Mana wird uns erst mal einen Schubs geben, damit wir ein Gefühl für die Wellen bekommen, bevor wir allein rein paddeln. Er warnt uns noch vor dem flachen Wasser. "Keine Kopfsprünge. Und wenn ihr fallt, versucht, flach zu landen." Dann packt er die Surfbretter aus. Die Dinger sind riesig - fast so groß, wie Stand Up Paddle Boards. Sie haben viel Auftrieb und sollen uns dabei helfen, sicher in den Stand zu kommen. Bevor wir los paddeln geht es aber erstmal in den Sand. Aufgereiht liegen wir Mana zu Füßen und paddeln um die Wette durch die Luft. Auf sein Kommando springen wir aufs Board, Knie gebeugt, Arme parallel zum Brett nach vorne und hinten ausgestreckt. Gar nicht so einfach, mittig auf dem Board zu landen. Wie nötig das wäre, werde ich später im Wasser merken. Intuitiv springe ich so hoch, dass ich mit dem rechten Fuß vorne stehe. Also goofy - genauso wie auf dem Snowboard. Noch zweimal surfen wir auf dem Trockenen, dann wird es ernst. Wir schleppen unsere riesigen Boards ins Wasser, legen uns bäuchlings drauf und paddeln los. Mana begleitet uns schwimmend und stoppt uns erst, als wir weit genug vom Strand weg sind. Und dann bekomme ich die erste wichtige Lektion für Surfer: Man braucht vor allem Geduld.

You can't stop the waves. But you can learn to surf

So eine Welle ist ein launisches Wesen. Von weitem sieht sie hervorragend aus. Doch je näher sie kommt, desto mehr flacht sie ab. Wir warten also. Und warten. Und warten. Und dann ist sie auf einmal da. Gefühlt baut sich hinter mir eine Wand aus Wasser auf. Mana ruft: "Paddle!" Ich kraule los, spüre noch einen Schubs von meinem Surflehrer und bin plötzlich in der Welle. Ich höre, wie Mana das Kommando gibt: "Up!" Aber ich traue mich noch nicht hoch. Das Brett ist trotz seiner Länge ganz schön wacklig. Im Knien schieße ich auf der Welle Richtung Strand, bis ich auf dem Sand auflaufe. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Das Gefühl war schon mal gut, jetzt muss ich nur noch aufstehen. Ich paddle also zu Mana und den Jungs zurück. Die beiden haben auch schon ihre ersten Wellen mitgenommen und grinsen ebenfalls von einem Ohr zum anderen. Zwei, drei Anläufe brauche ich noch, dann stelle ich mich zum ersten Mal früh genug und einigermaßen ordentlich hin. Aber eben nur einigermaßen. Da ich nicht ganz mittig auf dem Board stehe, kippe ich nach ein paar Metern zur Seite runter. Egal. Ich bin gesurft. Zurückpaddeln. Nächste Welle erwischen. Aufstehen. Runterfallen.

 

In der nächsten halben Stunde schlucke ich jede Menge Salzwasser. Aber ich kann gar nicht mehr genug bekommen. Allerdings ist das Paddeln ganz schön anstrengend auf Dauer. Und langsam verstehe ich, warum ein Freund von mir vor kurzem sagte: "Selbst ich als Fortgeschrittener stehe pro Jahr zusammengerechnet nicht mal eine Stunde auf dem Board". Wie auch? Die meiste Zeit beim Surfen verbringt man mit Paddeln und Warten. Aber das lohnt sich alles für den Moment, in dem die richtige Welle dann da ist.

Die perfekte Welle

Unser Surflehrer Mana ist gerade mit meinen Begleitern beschäftigt, als ein ganz besonders schönes Exemplar auf uns zugerollt kommt. Mana ruft: "Try it!" Sofort paddle ich los, kurz darauf spüre ich den Schub von hinten. Jetzt bloß nicht schlapp machen. Noch zwei, drei kräftige Schläge mit den Armen und dann ist er da - dieser fast schon magische Moment, in dem die Welle das Board plötzlich mitnimmt. Ich stemme die Hände aufs Brett und springe in die Hocke. Eher vorsichtig richte ich mich auf. Nur nicht das Gleichgewicht verlieren, das ist meine Welle, die gebe ich nicht auf. Ich schieße auf dem Brett nach vorne, links und rechts von mir spritzt und blubbert das Wasser. Das Gefühl, von der Welle mitgenommen zu werden, ist unbeschreiblich. All die Mühen des Paddelns sind vom einen auf den anderen Moment vergessen. Da ist nur noch Leichtigkeit. Allerdings ist da leider auch der Strand und auf den fahre ich gerade ungebremst zu. Ich erinnere mich an Manas Warnung vor dem flachen Wasser und knie mich wieder aufs Brett - kurz bevor mein Board sanft auf dem Strand aufläuft. Großartig. Meine erste Welle. Ohne Anschieben. Ohne Umfallen. Noch zwei mal habe ich Glück und erwische eine gute Welle. Dann sind die ersten drei Surfstunden meines Lebens auch schon wieder vorbei. Ich habe Salzwasser in der Nase, völlig müde Arme und das Herz voller Glück. Und ich habe mich verliebt. In Hawaii und ins Surfen.

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Kommentare: 2
  • #1

    Michaela O. (Samstag, 25 März 2017 10:36)

    Super schöner Bericht, der Spaß zum selber ausprobieren macht �

  • #2

    Caroversum (Samstag, 25 März 2017 10:40)

    Danke liebe Michaela <3 Ich kann es nur von Herzen empfehlen, es macht wahnsinnig viel Spaß!