52weeks52sports: Kayak

Der regenreichste ort der erde

Kaua'i ist die älteste der acht Hauptinseln und sie wird nicht umsonst auch die "Garteinsel" genannt. Hier ist alles grün - und zwar in den verschiedensten Tönen und Nuancen. Überall auf der Insel findet sich dichter und üppiger Regenwald. Und was braucht es dafür? Richtig. Regen!

Unsere Unterkunft auf Kaua'i befindet sich in der Nähe des Bergs Wai'ale'ale. An dessen Gipfel sammeln sich täglich Wolken und regnen was das Zeug hält. Wai'ale'ale bedeutet auf deutsch "überlaufendes Wasser". Und der Berg hat seinen Namen nicht umsonst: Es ist der regenreichste Ort der Welt. Am Wai'ale'ale entspringt der Wailua River - und alle sind ganz heiß darauf, hier zu Paddeln. Denn auf diese Weise gelangt man zu einer Anlegestelle von der aus ein Weg zu den Secret Falls führt - einem Wasserfall mitten im Regenwald. Wir beschließen also, Kaua'i vom Wasser aus zu erkunden und buchen eine Tour bei Kayak Wailua - einem kleinen, familiengeführten Betrieb in Kapa'a. Morgens um neun treffen wir uns mit unserer Guide Renée an den Booten. Renée ist ein gut gelauntes Energiebündel. Die Mama von drei Kindern lebt schon lange auf Hawaii, liebt das Wasser und die Berge und spudelt beim Reden selbst wie ein Wasserfall. Sie gibt uns eine kurze Einweisung in die Boote: Wo wird der wasserdichte Rucksack fest gemacht, wie halten wir das Paddel richtig und wie verhindern wir, zu kentern. Dann gibt sie uns noch eine Warnung mit auf den Weg: "Seid nett und höflich zueinander". Als wir irritiert gucken, lacht sie amüsiert. "Ihr glaubt gar nicht, wie viele Ehekrisen hier auf dem Wasser stattfinden, weil jeder glaubt, dass der andere falsch paddelt oder lenkt. Also, seid nett zueinander." Na, das kann ja heiter werden.

Schlangenlinien im Paddelrhythmus

Ein Bus mit Anhänger bringt uns in den kleinen Bootshafen kurz hinter der Mündung, an der der Wailua River in den Pazifik fließt. Gemeinsam heben wir das Boot ins Wasser - Renée stabilisiert es, damit wir sicher einsteigen können. Dann stößt sie uns aufs Wasser hinaus und wir gleiten unsere ersten Meter auf dem Wailua River entlang. Den ersten Teil des Flusses teilen wir uns mit Ausflugsschiffen und müssen dementsprechend ganz außen paddeln. Heiko sitzt hinten, das heißt, dass er mehr Einfluss auf die Steuerung des Kayaks hat, als ich. Am Anfang fällt es uns nicht ganz leicht, eine gerade Linie zu halten. Bei jeder Schlangenlinie will ich mithelfen, auszugleichen. Mal klappt es, mal verlieren wir dadurch aber ganz die Richtung. Wir giften uns kurz an, dann fällt uns ein, was Renée gesagt hat und wir müssen beide lachen. Also ein kurzer Stopp und Lagebesprechung. Wir einigen uns auf einen gemeinsamen Paddelrhythmus. Ich konzentriere mich stärker darauf, das Boot vorwärts zu bringen. Heiko konzentriert sich stärker auf die Lenkung. Und siehe da: Nach ein paar weiteren Metern paddeln wir, als hätten wir noch nie etwas anderes gemacht. Als der Fluss sich gabelt, verlassen wir den Hauptstrom auf einen schmaleren Seitenarm. Links und rechts nichts als Regenwald. Verwunschene Bäume, dichtes, grünes Gestrüpp und das Zwitschern von Vögeln. Das gemütliche Gleiten des Kayaks gibt uns genug Zeit, die fantastische Natur um uns herum zu genießen.

Von allen Seiten heißt es: wasser marsch

Es könnte alles so wunderbar sein, wäre da nicht das Problem mit dem regenreichsten Ort der Erde. Es scheint so, als wolle Kaua'i uns beweisen, dass das tatsächlich stimmt. Je weiter wir uns den Bergen nähern, desto grauer wird der Himmel und desto mehr Regen schütten die Wolken über uns aus. Irgendwann haben wir das Gefühl, dass von oben genauso viel Wasser kommt, wie von unten. Wir sind völlig durchnässt - selbst die Regenjacke kann dem prasselnden Wasser nicht mehr standhalten. Zum Glück ist es warm, so dass wir trotz des Wetters gute Laune haben. Renée paddelt unbeeindruckt hinter uns her. Sie ist den Regen gewöhnt, trägt Strohhut und Bikini und grinst: "Das ist bisher die nasseste Tour in diesem Jahr!" Wir können halt nicht ohne Superlative. Der Regen ist aber wirklich nicht schlimm, denn er verändert die Natur um uns herum auf ganz besondere Weise. Die vielen verschiedenen Grüntöne leuchten intensiv, große Tropfen kullern von dicken Blättern und landen mit lautem Platschen auf der Wasseroberfläche. Und ganz ehrlich: Was wäre ein Regenwald ohne Regen? Wir paddeln uns in einen gemütlichen Rhythmus: Links, rechts, links, rechts. Sanft gleiten wir über das Wasser, vorbei an dichten Büschen und Bäumen, bis wir nach einer guten Stunde die Anlegestelle im Regenwald erreichen. Hier ist gerade Rush Hour. Dicht an dicht liegen die Kayaks am Ufer. Und uns wird schnell klar: So secret sind die Secret Falls gar nicht.

Sightseeing mit workout-effekt

Wir ziehen unser Kayak ans Ufer und binden es mit dem Tau an einem Baum fest. Dann machen wir uns auf den Weg durch den Regenwald. Es geht über einen matschigen, steinigen Weg mitten durch die Natur. Erst durch ein Feld mit mannshohem Schilf. Kurz frage ich mich, ob da möglicherweise Velociraptoren drin leben. Ich bin ganz froh darüber, dass das wohl eher unwahrscheinlich ist. Aber ich bin nicht die einzige mit diesem Gedanken - schließlich hat Steven Spielberg in den 90er Jahren in dieser Gegend viele Szenen von "Jurassic Park" gedreht. Weiter geht es durch einen Fluss. Wir tasten uns an einem Seil entlang und stellenweise müssen wir uns richtig festhalten, denn durch den vielen Regen ist der Fluss angeschwollen und das Wasser zieht kräftig an den Beinen. Nach einer guten halben Stunde erreichen wir die Secret Falls. Laut Renée ist der Wasserfall meistens ein freundlicher, kleiner Wasserstrom, unter dem man Baden kann. Heute donnern aber sprudelnde Wassermassen den Berg runter und machen aus dem Teich am Fuß des Berges einen aufgewühlten, braunen Tümpel. Ein paar Touristen werfen sich trotzdem im Bikini in Pose fürs Foto. Uns ist es aber zu kalt und wir genießen lieber den Ausblick, bevor wir uns dann auf den Rückweg zu unserem Kayak machen.

Gemütlich paddeln wir zurück zum Hafen. Diesmal geht es etwas schneller, denn der Strom des Flusses zieht uns mit. Manchmal legen wir die Paddel ab, lassen uns einfach nur treiben und genießen die Ruhe und die Natur. Das alles vom Wasser aus zu erleben, ist ein ganz neues Gefühl mit besonderer Atmosphäre. Als wir später zu Hause nach einer heißen Dusche auf dem Balkon sitzen, sind wir tiefenentspannt. Und haben Muskelkater an den Armen, am Rücken und im Bauch. Sightseeing mit Workout-Effekt. Ich finde, Kayaking ist eine wirlich gute Art, zu reisen.

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