Crossfit - 52weeks52sports

Trau dich, großartig zu sein

Vorsichtig balanciert meine Trainingspartnerin Miriam die Langhantel über ihrem Kopf und drückt sich im Turkish Getup hoch. Eine komplizierte Bewegung - und sie hält dabei die Hantel mit einer Hand, die ich eben mit zweien kaum hoch bekommen habe. Da Miriam mich aber schon beim Tabata völlig platt gemacht hat, wundert mich gar nichts mehr. Neben uns macht ein Typ mit beeindruckend breitem Kreuz Kniebeugen mit dicken Gewichten, ein anderer läuft entspannt auf den Händen durch den Raum, eine Frau im Tanktop macht Klimmzüge. Oh man, was für ein Latissimus! Betrübt schaue ich an mir runter. Kein Sickpack. Kein ausgeprägter Quadrizeps. Ist da wohl wenigstens ein Bizeps zu erahnen?  Zum Glück stehen ein paar Mädels und Jungs neben mir, die auch eher durchschnittlich sportlich aussehen. Sonst würde ich die Crossfit Box vermutlich rückwärts wieder verlassen.

WOD Crossfit Turkish Getup
Black Box Athletics in Köln

Eigentlich ist meine Sorge gar nicht nötig, denn wirklich alle bei Black Box Athletics sind sehr offen und begrüßen mich nett. Keiner schaut mich abschätzig an, sodass ich mich schnell entspannen und in Ruhe umschauen kann. Die Halle von Black Box Athletics liegt im Süden Kölns, zwischen dem Großmarkt und hohen, grauen Wohnhäusern. Die Halle hat Industriecharme: Neonröhren, schwarze Böden und Wände und nur das nötigste Trainingsequipment. Von der Decke hängen Kletterseile, an den Seiten sind Klimmzugstangen montiert, in einer Ecke stehen Bänke und große Holzkisten. Und in den Regalen warten Kettlebells, Hantelstangen und schwere Gewichtscheiben auf ihren Einsatz.  An der hinteren Seite des Raums steht in großen weißen Buchstaben an der Wand "Dare to be great." Alles klar. Ich versuch's. Wie ich heute "great" werden kann, steht auf der vorderen Stirnseite des Raums, auf gläsernen Tafeln, die fast die komplette Länge der Wand einnehmen. Für jeden Tag steht ein dort ein anderes WOD - ein Workout of the day. Ich verstehe erstmal nur Bahnhof.

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Crossfit Anfänger Workuot Selbstversuch
Workout of the Day

Zum Glück hilft Miriam weiter und übersetzt für mich. Das erste Drittel des Workouts besteht für uns heute aus zwei Übungen:

#Nummer eins: 4-6/side Alt. Strict Press. Bedeutet in meiner Sprache: Ich nehme eine Kettlebell (eine gusseiserne Kugelhantel mit Griff) in die Hand und stemme sie 4 bis 6 mal pro Seite gerade nach oben über den Kopf. 

#Nummer zwei: 20-30 sec. N2W Handstand Hold. N2W steht für Nose to Wall - wir stützen uns also so am Boden ab, dass wir zur Wand schauen. An ihr klettern wir Stück für Stück mit den Füßen nach oben in den Handstand. Und dann heißt es mindestens 20 Sekunden halten.

 

Diese beiden Übungen werden wir 12 Minuten lang immer und immer wieder wiederholen. CrossFit-Trainingseinheiten dauern normalerweise eine gute Stunde und bestehen aus Aufwärmen, Techniktraining, einem zehn- bis zwanzigminütigen Hochintensitätstraining und einem Cool-Down mit Stretching.

Unser Trainer Muco trommelt uns zusammen. Um warm zu werden und den Körper zu mobilisieren starten wir mit verschiedenen Animal Walks. Auf allen Vieren laufen wir die Crossfit-Box auf und ab. Hände und Füße setzen wir dabei diagonal, mal sind sie gestreckt, mal so gebeugt, dass Schienbeine und Unterarme parallel zum Boden sind. Gar nicht so einfach zu kooridinieren. Als nächstes mobilisieren wir die Gelenke und machen verschiedene Versionen von Jumping Jacks auf der Stelle um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Muco erklärt noch mal die Übungen, dann geht es los.

Crossfit Anfänger Workout
Strict Press, N2W Handstand und Hip Thruster

Miriam besorgt mir eine 12er Kettlebell, ganz schön schwer das Ding. Auf Mucos Kommando fange ich an, sie nach oben zu stemmen. Erst vier mal mit dem schwächeren linken Arm, dann vier mal mit dem stärkeren rechten. Meine Muskulatur zittert und ich habe Mühe, mich zu stabilisieren. Muco kommt vorbei und piekst mir in den Bauch: "Anspannen!" Schon bin ich deutlich stabiler. Dann ist Miriam dran. Trotz schwererer Kettelebell ist sie deutlich schneller als ich, meine Verschnaufpause ist nur kurz. Ich krabble also die Wand hoch - so richtig in den Handstand traue ich mich aber noch nicht. Ich stehe mehr schräg als senkrecht, Miriam zählt laut bis zwanzig, dann krabble ich wieder runter und richte mich mit hochrotem Kopf auf. Miriam bleibt 30 Sekunden im Handstand, ich schaue für sie auf die Uhr, die von 12 Minuten auf Null runter läuft. "5 - 4 - 3 - 2 - 1 - Fertig!" Und schon bin ich wieder mit der Kettelbell dran. So geht das immer wieder hin und her. Belastung - Entspannung - Belastung - Entspannung. Es ist wie früher in der Schule beim Zirkeltraining. Nur, dass hier nicht Frau T. mit der Trillerpfeife neben mir steht und Abschlussnoten verteilt. Dafür kommt Muco immer wieder vorbei, piekst mir in den Bauch, kontrolliert meine Schulterstellung und meine Körperhaltung. Und er feuert mich an: "Los, Durchhalten. Nur noch zwei Minuten." Es ist gut, dass mich Miriam und Muco ständig im Blick haben, denn von alleine führe ich die Übungen noch lange nicht sauber aus. Und damit steigt die Verletzungsgefahr. Ein Argument dafür, CrossFit nicht alleine zu trainieren.

Simpel - nicht einfach

Für den zweiten Teil unseres Workouts holen wir uns eine Bank und eine Holzkiste. Hip Thruster sind angesagt - 5 mal 10 Stück. Mit den Schultern lege ich mich auf die Bank, die Füße stehen eng nebeneinander auf der Kiste. Der Po hängt nach unten durch, dann soll ich die Hüfte nach oben schieben und alles anspannen. Gar nicht so einfach, die Knie dabei zusammen zu lassen. Ich laufe rot an, es zieht im Gesäßmuskel, im unteren Rücken und in der hinteren Oberschenkel-Muskulatur. Eigentlich ist der Hip Thruster eine ganz simple Übung: Auf einer Holzkiste liegen und die Hüfte hoch und runter bewegen. Aber simpel heißt leider noch lange nicht, dass es einfach ist. Ich bin froh, als ich meine 50 Stück geschafft habe. Für den letzten Teil des Workouts geht es nach draußen. Abwechselnd heben wir zwölfmal ein Slam Ball aus der Hocke auf und werfen ihn uns über die Schulter. Slam Balls sind schwere, mit Sand gefüllte Gummibälle, die nicht vom Boden abprallen, sondern liegenbleiben. Ich glaube, die Oldschool-Version nennt sich Medizinball. Ich sag ja, ich fühle mich wie früher beim Zirkeltraining in der Schule.

AMRAP - Slam Balls
AMRAP - Slam Balls

Danach laufen wir los. Für mich geht es zuerst 100m vorwärts, dann 100m rückwärts zurück. Damit es keine Zusammenstöße gibt, startet Miriam genau andersherum - also erst rückwärts, dann vorwärts. Hektisch rufen wir uns beim Laufen zu: "Mehr rechts, mehr rechts. Ach nee. Links, links, links, von dir aus links." Auch diese beiden Übungen machen wir wieder 12 Minuten lang, nach dem AMRAP-Prinzip. Also "As Many Rounds As Possible." Rückwärts laufen ist gar nicht so einfach und ich komme ganz schön aus der Puste. "Komm, bleib dran, du schaffst das!", ruft Muco. In den letzten Minuten schlägt mein Herz bis zum Hals aber ich beiße mich durch. Geschafft. Und dann passiert etwas, das ich am Crossfit wirklich mag. Alle Trainingspartner machen die Runde, jeder gibt jedem ein High Five. "Gut gemacht", sagt jemand zu mir. Danke, sehr nett. Wir stretchen uns noch ein bisschen, dann leere ich auf einen Zug den letzten halben Liter aus meiner Wasserflasche. Neben mir stehen zwei Crossfitter, die mit mir das WOD gemacht haben. Sie schreiben sich Werte und Beobachtungen auf und machen Reaktionsübungen mit einer App. Ich frage nach: "Es geht darum, zu vergleichen, wie sich die Funktionen des Körpers durch das CrossFit-Training verändern." Einer der beiden misst sich sogar den Blutdruck. Ich merke: Crossfit kann auch eine Wissenschaft sein. Mir wäre das zu viel. So viel Disziplin für so viel Aufwand habe ich nicht. Wahrscheinlich habe ich deswegen im Gegensatz zu den beiden auch kein Sixpack. Ob ich das vom CrossFit je bekommen könnte sei dahingestellt - Spaß macht das Training auf jeden Fall. Ich mag die Atmosphäre: Mal so richtig auspowern in einer betont reduzierten Umgebung. Irgendwie mit dem Gefühl, sich beim Training ein bisschen dreckig zu machen, dazu motivierte Trainingspartner. Da komme ich doch gerne noch mal wieder. Erstmal schleppe ich mich aber erschöpft und glücklich zur Tür. Beim Rausgehen fällt mein Blick kurz auf Regel #8 der Black Box Athletics: "Lots of Kölsch und Halve Hahn doest not count as good nutrition." Na gut. Dann gibt's heute halt Salat.

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