Highland Games - Einfach mal 'nen Baum werfen

Es gibt so Tage, an denen finde ich es fast ein bisschen schade, dass ich so ein Stadtkind bin. Tage, an denen ich auf einem Schützenfest bin, weil gute Freunde das Königspaar sind. Oder Tage, an denen ich als Reporterin mit der freiwilligen Feuerwehr unterwegs bin. Der Zusammenhalt auf dem Land ist etwas besonderes. Und auch die Begeisterung für das gemeinsame Hobby. Das konnte ich auch in Woche 31 wieder erleben. Ich war zu Gast bei den McClorey Warriors in Oekoven. Ihr Sport: Highland Games.

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Ein Kilt - kein Rock!

McClorey-Vorsitzender Uwe stattet mich erstmal mit einem ordentlichen Outfit aus. "Das hatte ich bisher auch noch nicht beim Sport an, einen grün-schwarz karierten Rock", lache ich. Möööööp! Fehler! "Es heißt Kilt!" klärt Uwe mich auf. Jeder, der "Rock" sagt, muss Strafe in die Vereinskasse zahlen. Gut zu wissen. Ein bisschen aufgeregt betrete ich hinter Uwes breitem Rücken den Trainingsplatz. Ein paar ziemlich große Männer mit breiten starken Armen sind gerade dabei, Gewichte zu werfen. Ich stelle mich erstmal den Frauen vor, von denen ich zur Begrüßung direkt herzlich in den Arm genommen werde. Yasmine ist heute meine Trainerin. Auch sie trägt einen Kilt, die hellblonden Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, auf ihrem Shirt prangt das Wappen der McClorey Warriors. Yasmine erklärt mir die verschiedenen Disziplinen. Wir starten mit mit "Caber Toss" - dem Baumstammwerfen. Yasmine stellt einen der schweren Baumstämme senkrecht auf, lehnt ihn gegen ihre Schulter und hebt ihn sich auf die Hände. Dann macht sie ein paar Schritte vorwärts und schleudert den gut vier Meter langen Baumstamm nach vorne. Er fliegt und überschlägt sich dabei. Das ist das Ziel beim "Caber Toss".

Caber Toss - wenn Frauen mit Baumstämmen werfen

Dann bin ich dran. Yasmine hilft mir, den schweren Stamm auf die Hände zu nehmen. Die Damenbäume sind zwischen 3,50m und 4 Metern lang und wiegen zwischen 25 und 35 Kilo. Bei den Herren sind es bis zu 5 Meter und 40 bis 50 Kilo. Ich lehne mir den Baum an die Schulter und hebe ihn an. Gar nicht so einfach, den langen Stamm auszubalancieren. Dann lässt Yasmine los, ich mache ein paar Schritte und reiße mit aller Kraft die Arme nach oben, um den Baum zum Überschlag zu bringen. "Uuuaaahhhhhh!" Huch. War ich das gerade, die diesen Kampfschrei ausgestoßen hat? Der Baum fliegt, dreht sich und fällt. Er liegt zwar ziemlich schief auf dem Boden aber das ist ein tolles Gefühl. Einfach mal einen Baum werfen. Ich fühle mich wie im Film Braveheart. Yasmine und ich üben noch ein paar Mal, dann geht es zur nächsten Disziplin: Strohsackwerfen. An zwei Pfosten sind Seile in unterschiedlicher Höhe gespannt. Auf 3, 4, 5 und 6 Metern. Ich stelle mich mit dem Rücken dazu auf und spieße mit einer Forke den Strohsack auf. Mit einer schwungvollen Bewegung aus den Beinen und den Armen soll ich den Strohsack hinter mich schleudern. Je nachdem, über welches Seil ich es dabei schaffe, bekomme ich mehr oder weniger Punkte. Das gleiche gibt es auch mit Gewichten: "Weight for Height." Ähnlich einer Kettlebell aus dem Fitnessstudio fasse ich ein Gewicht mit einem Griff und schwinge es ein paar Mal mit einer Hand vor mir her. Dann schleudere ich es über meinen Kopf! Panik! Ich habe Angst, das Ding auf den Schädel zu bekommen und hüpfe quietschend aus dem Weg. Die Mädels lachen und beruhigen mich: So geht es wohl jedem am Anfang.

Eine schottische Erfindung

Highland Games haben eine lange Tradition. Sie waren ursprünglich Bestandteil der Treffen schottischer Clans in den Highlands. Dabei ging es nicht nur um Unterhaltung, sondern auch darum, die schnellsten, stärksten und mutigsten Männer zu finden. Die wurden dann zum Beispiel Leibwächter oder Boten für den König. Hinzu kam, dass es den Schotten unter den Engländern lange Zeit verboten war, Waffen zu tragen. Baumstammwerfen und Steinstoßen waren also auch Trainingsmethoden aus der Not heraus. Denn wer einen Baum werfen kann, der kann vermutlich auch mit einem Rammbock das Tor einer Burg einrennen. Auch heute noch sind die Highland Games vor allem in Schottland zu Hause - es gibt aber auch zahlreiche Wettbewerbe rund um die Welt. Auch in Deutschland.

Wer Highlander sein will braucht auch Ausdauer

Die McClorey Warriors bereiten sich gerade auf ihre nächsten Highland Games vor. Yasmine zeigt mir weitere Disziplinen: Throwing the Horse Shoe (Hufeisen werfen) , Barrell Run (Fass-Rollen) und Timberwalk (Baumstammlauf). Hufeisenwefen ist nicht so meins. Hin und wieder treffe ich zwar das Ziel, mir fehlt aber die Geduld. Ich will lieber irgendwas schweres durch die Gegend werfen. Erstmal muss ich aber schieben. Beim Fass-Rollen schieben immer zwei Frauen oder Männer ein riesiges, mit Sand gefülltes Holzfass um einen großen Traktorreifen. Es ist gar nicht so einfach, das Fass unter Kontrolle zu halten. Zum einen wiegt es unfassbar viel, zum anderen verliert es durch seine ovale Form ständig die Richtung. Hierbei kommt es also nicht nur auf Kraft, sondern auch auf die richtig Technik an. So ist es auch beim Baumstammlauf. Dafür bekomme ich zwei leichtere, kürzere Stämme mit Schlaufen. Mein Parcours sind zwei in den Boden gesteckte Markierungen im Abstand von etwa vier Metern. Um die soll ich herum rennen und dabei die Baumstämme an den Schlaufen hinter mir her ziehen. Eine Minute habe ich Zeit, für jede Runde gibt es einen Punkt. Ich renne so schnell ich kann, die beiden Stämme schleudern hinter mir her. Es brennt in meinen Armen und in meiner Lunge. 60 Sekunden können verdammt lang sein. Ich schaffe sieben Runden und bin kurz vorm Zusammenbruch. Ich brauche dringend ein Sauerstoffzelt.

Timberwalk und Caber-Slalom. Rennen mit Baumstämmen

Yasmine lässt mich kurz verschnaufen, dann steht schon die nächste Ausdauer-Disziplin an: "Caber-Slalom". Zusammen mit vier anderen Mädels schultere ich einen etwa fünf Meter langen und etwa 40 Kilo schweren Baum. Vor uns in den Boden gesteckt sind fünf Stämme - der Abstand dazwischen reicht gerade so, dass wir mit unserem Stamm durchlaufen können. Auch hierbei geht es wieder darum, die schnellste Zeit zu erreichen. Die Frauen, die ganz vorne und ganz hinten am Stamm stehen, müssen am meisten laufen, um den Stamm zu drehen. Ich stehe in der Mitte - Yasmine sagt, dass ich hier vor allem das Gewicht tragen und die Drehung unterstützen muss. Wir geben Vollgas. Geradeaus durch die erste Lücke. "Durch!" ruft unsere sechste Teamfrau. Sie steht direkt am Slalomparcours, um uns das Signal für die Drehung zu geben. Wir reißen den Stamm rum und rennen durch die nächste Lücke. "Durch!" So geht es immer hin und her. Und dann den ganzen Weg wieder zurück. Bloß die Hände nicht vom Stamm lassen, denn das würde im schlimmsten Fall zur Disqualifikation führen. Völlig aus der Puste rennen wir über die Ziellinie. Geschafft. Eine Minute haben wir gebraucht. Und ich brauche schon wieder ein Sauerstoffzelt.

Caber-Slalom Stone of Manhood Schottland Highland Games
Für Caber-Slalom sind Kraft, Ausdauer und Technik nötig.

Yasmine hat Erbarmen mit meiner schlechten Ausdauer und schickt mich zu ihrem Mann André. Der trainiert gerade "Weigth for Distance", "Putting the Stone" und "Stone of Manhood". Beim Weight for distance hat André eine schwere Gewichtskugel an einem Griff. Mit einer eleganten, kraftvollen Drehung schleudert er das Gewicht meterweit über die Wiese. Ich muss für den Anfang keine Drehung machen, sondern schwinge ein (deutlich kleineres Damen-)Gewicht mehrmals neben mir her, um es dann etwas ungelenk nach vorne fliegen zu lassen. Es kommt nicht besonders weit. André korrigiert meinen Bewegungsablauf: Ich muss den natürlichen Schwung des Gewichts für mich ausnutzen, es im richtigen Moment nach vorne ziehen. Dann klappt es auch. Mein Gewicht fliegt zwar nicht annähernd so weit, wie das von André, aber immerhin ein paar Meter. Uwe findet, ich bin bereit für die nächste Disziplin: Steinstoßen. Er drückt mir einen glatten Stein in die Hand. Etwa so groß wie ein Laib Brot - nur leider deutlich schwerer. Der Bewegungsablauf ist ähnlich, wie beim Kugelstoßen. Stein an die Wange, nach hinten eindrehen und mit einer Hüftdrehung den Stein nach vorne wegstoßen. Das liegt mir und macht richtig Spaß. Ich knacke sogar die sieben Meter. Sehr cool. Baumstämme und Steine werfen, das werden meine neuen Lieblings-Beschäftigungen.

Uwe und André freuen sich über meine Begeisterung und schleppen direkt den nächsten Stein an. Der ist deutlich schwerer, als der zum Stoßen. Gute 35 Kilo schätzen sie. Sie legen den Koloss vor ein Holzfass. "Stone of Manhood." Ich soll das schwere Ding hochheben und auf das Fass legen. Wie beim Kreuzheben gehe ich tief in die Knie und umfasse den Stein. Erst bekomme ich überhaupt keinen Grip und das Ding löst sich nicht vom Boden. Dann aber kann ich ihn packen und ziehe ihn hoch. Jetzt müsste ich stemmen, um ihn vor die Brust zu bekommen. Das klappt nicht so ganz, die glatte Oberfläche rutscht mir wieder durch die Hnde und um ein Haar lasse ich ihn mir auf die Füße fallen. Bloß nicht dran denken, wie weh das tun würde. Irgendwie schaffe ich es, den schweren Stein zu umklammern, zwei Schritte nach vorne zum Fass zu machen und den Stein mit einem lauten Ächzen drauf abzulegen! Gerade noch mal gut gegangen. Liebe McClorey Warriors - solltet ihr mal eine Ersatzfrau brauchen: Ich bin sofort dabei und werfe mit euch Steine und Baumstämme.

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Zum Abschluss des Tages sammeln wir Mädels uns zum Tug o`war - zum Tauziehen. Jeweils fünf von uns an jedem Ende. Mit beiden Hände umklammern wir das dicke Tau. Beim Startkommando gehen wir tief in die Knie, stemmen unsere Füße in den Boden und ziehen was das Zeug hält. Zentimeter für Zentimeter bewegen sich die anderen Mädels in unsere Richtung - solange bis die Seilmarkierung auf ihrer Seite die Mitte überschritten hat. Gewonnen. High Five mit allen. Ich schüttele Hände (was bei André nicht ganz ungefährlich ist - er hat Schraubstöcke statt Händen). Ich werde umarmt, auf die Schulter geklopft und zum nächsten Wettbewerb eingeladen. Uwe und Yasmine fragen halb im Scherz, halb im Ernst: "Willst du nicht doch noch einen Mitgliedsantrag unterschreiben?" Ganz ehrlich? Ich war kurz davor. Wenn ich nicht schon zwei Sportarten hätte, die mich durchs Leben begleiten, wären die Highland Games auf jeden Fall ein Sport, auf den ich richtig Lust hätte. Weil ich Bäume und Steine werfen darf (ich kann es gar nicht oft genug begeistert betonen.) Aber auch, weil ich die Gemeinschaft so nett finde. Es wird gemeinsam trainiert, gewonnen, verloren, gefeiert, gekämpft. Und wer weiß, vielleicht bin ich bei den nächsten Highland Games ja doch nicht nur als Zuschauerin dabei...

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Highland Games - ich komme wieder!

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Kommentare: 2
  • #1

    Jörg (Freitag, 11 August 2017 01:44)

    Geil! Das will ich auch mal probieren.

  • #2

    Ay Jay (Freitag, 11 August 2017 15:48)

    Dein Bericht über die McCloreys ist richtig geil geschrieben...macht spaß ihn zu lesen. Vielen Dank. Mein Name ist Ay Jay aus Kempen und ich habe ab und zu das Vergnügen, Highland Games moderieren zu dürfen. So z.B. am 12.8. in Kreuzau bei Aachen. Komm' doch einfach mal dorthin. (Darfst dann auch mal ins Mikro sprechen (-; . Ich glaube die Highlander vom Niederrhein aus Kempen suchen sogar für den Tag noch eine Verstärkung... da kannste direkt einspringen. LG AJ