Kitebuggy - Mit Vollgas am Strand entlang

Wie ein Mantra wiederhole ich immer wieder den gleichen Satz: "Es ist wie ein Lenkdrachen. Nur größer!" Aber so richtig kann ich mich selbst nicht überzeugen. Ich finde den Powerkite, den ich gleich starten soll, einfach verdammt riesig. Dabei hat er nur gute drei Quadratmeter Tuchfläche. Nichts im Vergleich zu den Kites der Surfer, die heute am Brouwersdam auf dem Wasser unterwegs sind. Die sind nämlich locker dreimal so groß. Aber die können es halt auch, im Gegensatz zu mir.

Mein Trainer Jorn von der Kiteschule Natural High findet den Wind heute "ok." Ausreichend, um ein bisschen Kitebuggy zu fahren. Und nicht so stark, dass wir Anfänger uns Sorgen machen müssten, erst in Großbritannien wieder bremsen zu können. Wir suchen uns also einen freien Übungsplatz am Strand und packen den Kite aus. Damit er nicht weg fliegt, beschweren wir die eine Seite mit Sand, bevor wir uns den Gordischen Knoten widmen, die sich wie von Geisterhand in den Schnüren gebildet haben. Es braucht etwas Geduld, bis wir das Chaos entwirrt haben. Dann erklärt Jorn uns, wie wir die Lenkseile der Bar (Lenkstange) am Kite befestigen. Die rote Schlaufe auf die linke Seite, die blaue auf die Rechte und wir sind startbereit.

Kiten nach der Uhr

Unsere erste Übung: Den Kite beherrschen. Jorn erklärt uns das Windfenster. Wir stehen am Windfensterrand, unser Rücken ist dem Wind zugewandt. Genau über unserem Kopf denken wir uns einen Halbkreis, der wie die obere Hälfte eines Ziffernblattes aufgebaut ist. 12 Uhr ist direkt über unserem Kopf. Das ist die neutrale Zone und unser Sicherheitsbereich. Denn baut der Kite zu viel Druck auf, können wir ihn wieder hier hin lenken und erstmal durchatmen. Ansonsten die grobe Zusammenfassung: Wollen wir mit dem Kitebuggy nach rechts fahren, lenken wir den Kite auf zwei Uhr. Soll es nach links gehen, lenken wir auf zehn Uhr. Das machen wir erstmal als Trockenübung, bevor es in die Buggys geht. Der Kite hat unglaubliche Kraft. Mehrfach mache ich kleine Hüpfer, weil der Wind so stark in die Matte drückt, dass ich mitgezogen werde. Nach und nach verliere ich aber die Angst davor und schaffe es besser, den Kite zu beherrschen. Ich stelle ihn schräg vor mich den Wind und laufen seitwärts hinterher. Genau so soll es gleich auch mit dem Buggy aussehen. Jorn malt uns auf, was halber Wind ist. Wir sollen immer im rechten Winkel fahren zu der Richtung, aus der der Wind kommt. Am besten fahren wir dabei eine große Acht in den Sand, um nicht abzufallen. Also um nicht den Strand immer weiter runter zu fahren. Denn da wir noch nicht gegen den Wind kreuzen können, müssten wir den schweren Strandbuggy dann mehrere hundert Meter durch den Sand wieder hochschleppen. Und das macht wirklich keinen Spaß!

Im Kitebuggy dem Wind voraus

Ich starte meinen Kite und stelle ihn vorsichtig auf 12 Uhr.  Dann gehe ich langsam rückwärts bis zum Buggy. Ich setze mich, ohne dabei die schwarz-pinke Matte aus den Augen zu verlieren. Das eine Bein schwinge ich über das Vorderrad, dann stelle ich beide Füße auf die Fußstützen, die meine Lenkung sind. "Jetzt den Kite auf zehn Uhr stellen", ruft Jorn mir durch den pfeifenden Wind zu. Ich lenke und bekomme starken Druck - aber nichts passiert. Der Buggy bewegt sich keinen Zentimeter im Sand. So stark, wie ich denke, ist der Wind nämlich gar nicht. Jorn gibt mir einen leichten Schubs, dann fahre ich los. Erst ganz langsam und in ziemlichen Schlangenlinien - denn mit den Füßen zu lenken und dabei den Kite und die anderen Menschen am Strand im Blick zu haben, ist gar nicht so einfach. 

 

In der nächsten Stunde ist dann alles dabei: Schnelle Fahrten, bei denen es mir gelingt, genau mit halbem Wind zu fahren. Aber genauso Momente, in denen ich im Sand stecke und mich keinen Milimeter bewege. Dann wieder tolle Kurven - und im nächsten Moment wieder eine, bei der mein Kite den Boden knutscht und ich die Füße in den Sand ramme, um nicht über meine Schnüre zu fahren.

Nur Fliegen ist schöner als Kitebuggyen

Ja - die Niederländer haben ein Wort für diesen Sport: Kitebuggyen. Hübsch, oder? Ein Wort, das definitiv Einzug in meinen Sprachgebrauch finden wird. Denn Kitebuggyen macht wirklich Spaß. Trotz der Blasen und Schwielen an den Händen und obwohl meine Arme vom Kite festhalten wirklich brennen, möchte ich nicht aufhören. Immer und immer wieder fahre ich den Strand auf und ab, lasse meinen Kite kleine Achten fliegen, um mehr Geschwindigkeit aufzubauen und gebe für meine Verhältnisse richtig Gas. Irgendwann bin ich auch nicht mehr ängstlich, sondern genieße die Kraft des Windes in meinen Händen und nutze sie, um über den Strand zu jagen. Ein Gefühl von Freiheit überkommt mich. Und als ich am Ende des Kurses meinen Kitebuggy-Führerschein in die Hand gedrückt bekomme, freue ich mich schon auf das nächste Wochenende in den Niederlanden.

Für wen?

Für alle, die gerne am Meer sind und kein Problem mit Geschwindigkeit haben. Die Kraft des Windes macht ehrfürchtig - beherrscht man sie, macht sie aber auch riesigen Spaß. Wer mehr Action als Lenkdrachen braucht, ist hier richtig. Genauso wie Kitesurfer, denen der Wind nicht reicht, um aufs Board zu steigen. Profis driften auch mal in atemberaubenden Tempo über den Strand. Wer kann, sollte hier mal mitfahren. Adrenalin pur!

Wie und Wo?

Zum Kitebuggyen braucht es Platz - also einen Strand, der nicht alle 100 Meter von Wellenbrechern unterbrochen wird. Am Brouwersdam gibt es ein perfektes Gelände. Das wissen aber auch viele andere. Ab mittags wird es ziemlich voll, wenn der Wind gut ist. Für die Kurse von Natural High gibt es allerdings eigene, abgesperrte Bereiche. Solche Kurse sind in jedem Fall sinnvoll. Kitebuggyen und die Kraft des Windes sind nicht zu unterschätzen. Wer die "Proof of Skills" hat, darf sich dann auf eigene Faust Material ausleihen.


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