Hoppe Hoppe Reiter...

Da ist es wieder, dieses Gefühl. Ich bin zu Hause. Es riecht nach warmem Stroh, ein paar Pferde schnauben leise und irgendwo klappern ein paar Hufeisen über den Asphalt. In Woche 46 hat mir meine Freundin Linea einen großen Wunsch erfüllt. Ich durfte ihren Friesen-Hengst Simon reiten. Seit ich Pferde mag, liebe ich Friesen. Diese großen, schwarzen, stolzen und zugleich entspannten Tiere mit den langen Mähnen und dem dichten Fesselbehang unten an den Beinen. Und sie sind nicht nur schön, sondern auch nervenstark. Das ist mir ganz Recht so, denn ich habe ewig nicht mehr auf dem Pferd gesessen (also, von meinem Ausflug ins Mittelalter mal abgesehen...)

Ich vermisse das Reiten manchmal schon sehr - es war mal ein so großer und wichtiger Teil meines Lebens und ich habe über den Sport viele tolle Menschen kennenlernt, von denen einige noch heute gute Freunde sind. Aber ich bin auch ganz realistisch: Reiten würde heute überhaupt nicht mehr in Leben passen. Es ist ein wahnsinnig zeitaufwändiger Sport. Denn ob ich Laufen, zum Wakeboarden oder zum Taekwondo gehe oder nicht, interessiert am Ende nur mich. Dann eben am nächsten Tag. Beim Reiten ist das anders. Da gibt es ein zweites beteiligtes Lebewesen, das im Zweifel den größten Teil des Tages in einem Stall verbracht hat und darauf wartet, an die frische Luft zu kommen und sich bewegen zu dürfen. Zum Glück werden Pferde heute so viel besser gehalten, als früher. Inzwischen ist es vielen Pferdebesitzern wichtig, dass ihre Tiere den Tag auf einer Wiese statt in einem 4x4 Meter Veschlag verbringen. So lebt auch Simon in einem Stall, in dem er morgens auf die Weide gebracht wird. Und sein Stall hat einen Außenbereich, sodass er immer raus kann, wenn er das möchte.

Wer Reiten will muss Putzen

Für mich heißt es erstmal Putzen - den Staub aus dem Fell holen, in den Hufen schauen, ob sich spitze Steinchen verklemmt haben und Stroh aus Schweif und Mähne sortieren. Und das kann bei einem Friesen dauern. Sooo viele Haare. Irgendwann bin ich aber dann doch zufrieden und auch Linea gibt ihr ok: Ich darf Simon satteln und trensen. So einigermaßen bekomme ich die Ausrüstung noch zusammengebastelt. Vielleicht ist Reiten ja doch wie Fahrradfahren und man verlernt es nicht. Ich nehme Simon am Zügel und führe ihn aus dem Stall auf den Hof. Und ich bin tierisch aufgeregt. Ich hab total Lust, zu Reiten, aber auch riesigen Respekt. Denn ich merke: Was man tatsächlich verlernt, ist das Gefühl fürs Pferd. Ich kann gerade gar nicht richtig einschätzen, ob Simon wach, müde, ängstlich, entspannt oder auch aufgeregt ist.

Beim Reiten geht's ums Lockersein

Ich setze meinen Fuß in den Bügel, drücke mich ab und lande im Sattel. Ganz schön hoch oben. Linea schwingt sich auf ihren zweiten Friesen Tsjarde und amüsiert sich darüber, dass ich so aufgeregt bin. "Simon ist ganz entspannt, der passt auf dich auf!" Na gut. Dann los. Erstmal reiten wir ein bisschen über die Felder, damit Simon und Tsjarde sich aufwärmen und ich mich daran gewöhne, mal wieder in einem Dressursattel zu sitzen. Dann gehts in die Reithalle. Obwohl ich protestiert habe, hat Linea mich mit einem Paar Sporen ausgestattet. "Simon läuft nicht von alleine, da musst du schon arbeiten!" Ich nehme die Zügel auf und trabe zum ersten Mal an. Simon zackelt gemütlich los - und nimmt zumindest einigermaßen kooperativ seinen Kopf nach unten. Das Ziel beim Dressurreiten ist ein lockeres Pferd. Ok, wenn man sich auf den Turnieren so umschaut, dann könnte man das bezweifeln, aber eigentlich geht es tatsächlich darum. Das Pferd soll mehr Last auf seinen hinteren Beinen aufnehmen, seinen Hals aufrecht tragen, so dass das Genick der höchste Punkt ist. Und es soll mit der Rückenmuskulatur locker schwingen, so dass der Reiter oben drauf nicht rumtitscht, sondern weich sitzen kann. Sowohl für Pferd als auch für Reiter deutlich angenehmer.

Muskelkater "John-Wayne-Style"

In der nächsten halben Stunde bin ich damit beschäftigt, diesen Zustand zu erreichen. Ich reite viele Bögen und Kreise, damit sich Simons Körper biegt und er die Signale, die ich mit Beinen, Gewicht und Händen gebe, annimmt. Ich vermute allerdings, dass meine Signale nicht ganz so eindeutig für ihn sind, wie er das von seiner eigentlichen Reiterin gewohnt ist. Aber ich habe das Gefühl, dass er und ich uns zumindest grundsätzlich verstehen. Mit Simon zu galoppieren, ist ein Traum. Große, aufrechte Galoppsprünge, zu sitzen wie auf einem Sofa. Das einzige, was jetzt noch besser sein könnte, ist meine Kondition. Denn Simon macht tatsächlich nichts von alleine. Ich muss ordentlich mit den Beinen drücken und ich weiß schon jetzt, dass ich morgen gehen werde, wie John Wayne. Und ich bin völlig aus der Puste. Nur für den Fall, dass ihr denkt, Reiten sei kein Sport: Macht das mal ne Stunde lang. Und ich meine nicht, dass ihr euch im Urlaub gemütlich im Schritt am Strand entlang tragen lassen sollt. Sondern wirklich mal eine intensive Reitstunde mit richtiger Arbeit mit dem Pferd. Euch werden hinterher Muskeln weh tun, von denen ihr bisher nicht wusstet, dass ihr sie habt. Ich weiß wovon ich rede. Denn ich habe jetzt schon Schmerzen und Angst vor übermorgen - der zweite Muskelkater-Tag ist ja bekanntlich der Schlimmste!

Weide oder Badewanne?

Zum Abschluss der Stunde reite ich noch eine Dressuraufgabe. Klasse A. Für fortgeschrittene Einsteiger. Einen Pokal hätte ich damit nicht geholt - aber Linea und alle anderen Anwesenden sind sich einig: Das war gar nicht so schlecht. Ich bin auf jeden Fall sehr glücklich, denn Simon ist ein tolles Pferd und nach so langer Zeit mal wieder Dressur zu reiten, hat wirklich Spaß gemacht. Langsam lasse ich mich aus dem Sattel gleiten und befreie Simon von seinem Zaumzeug. Wir gehen noch ein paar Minuten spazieren, bis sowohl sein als auch mein Kreislauf wieder runtergefahren sind. Dann gehts für Simon zurück auf die Weide, wo er sich ausgiebig auf dem Gras wälzt. Ich mache mich auf den Weg zu meiner warmen Badewanne. Und ich hoffe, dass Simon genauso glücklich ist, wie ich es nach dieser Reitstunde bin.

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