Taekwondo: Der Weg von Fuß und Faust

Dieser Blog wird anders als die anderen. Denn in dieser Woche geht es um einen Sport, der für mich mehr als nur trainieren und schwitzen ist. Es geht um Taekwondo. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich als kleines Mädchen im Wohnzimmer gespielt habe. Mein Papa stand im Türrahmen. Im Standspagat. Und dehnte sich. Regelmäßig packte er abends seine Tasche mit dem weißen Anzug, dem roten Gürtel und dem Schlagpolster, auf das ich manchmal auch mit meinen kleinen Fäusten boxen durfte. Das ist mehr als 30 Jahre her. Jetzt bin ich seit ein paar Tagen 2. Dan. Denn irgendwann habe ich selbst mit Taekwondo angefangen - der koreanischen Kampfkunst, die vor allem für ihre spektakulären Fußtechniken und ihre Bruchtests bekannt ist. Wer die Prüfung zum 2. Dan ablegen will, muss einen Aufsatz darüber schreiben, was diese Prüfung für ihn bedeutet. Meine Gedanken dazu will ich gerne mit euch teilen.

Für die Prüfung zum 2. Dan müssen zum ersten Mal zwei Bretter auf einmal kaputt gemacht werden
Für die Prüfung zum 2. Dan müssen zum ersten Mal zwei Bretter auf einmal kaputt gemacht werden

Mein Do - Mein Weg

Als ich vor inzwischen fast acht Jahren mit dem Taekwondo angefangen habe, war es für mich ein Rettungsanker. In einer beruflich und privat sehr stressigen Zeit hatte ich etwas gefunden, das mir dabei half, Stress abzubauen, Ärger und Ängste zu vergessen und mich wieder auf das Wesentliche zu besinnen. Kurz gesagt: Zurück zu mir selbst zu finden. Ich habe am Anfang nie darüber nachgedacht, einmal Schwarzgurt zu werden, geschweige denn, den 2. Dan zu erreichen. Dan-Träger waren für mich mystische Menschen aus Kung-Fu Filmen, mit einem unfassbaren Willen und unbezwingbarer Durchhaltefähigkeit.

Mir ging es anfangs nur darum, mich zu bewegen – und zwar in einer Sportart, in der sich mein Körper und meine Seele wohl fühlen. Ich war immer schon ein etwas lauterer, energiegeladener und impulsiver Mensch. Und diese Eigenschaften, die ich auch oft als negativ wahrgenommen habe, waren auf einmal von Nutzen und brachten mich weiter auf meinem Weg im Taekwondo.

 

Nach und nach habe ich mich auch mit der Philosophie des Taekwondo auseinandergesetzt und versucht, meinen Weg darin zu finden. Die fünf Grundprinzipien des Taekwondo (Höflichkeit, Integrität, Ausdauer, Selbstkontrolle und Unbezwingbarkeit) versuche ich, auch im Alltag umzusetzen. Natürlich gelingt mir das nicht immer. Wie vermutlich jeder andere Mensch auch, gebe ich manchmal zu früh auf, gehe den einfacheren Weg, streite oder zweifle. Aber es gehört auch dazu, es immer wieder zu versuchen und an seinen Erfahrungen zu wachsen.

Immer auf der Reise

In den letzten Monaten während der intensiven Vorbereitung auf den 2. Dan habe ich noch mal viel hinterfragt und habe das Gefühl, dass es mir nun besser gelingt, mich an meine Prinzipien und die des Taekwondo zu halten. Ich kann mich inzwischen besser auf mich konzentrieren und habe mein Taekwondo gefunden, das ich weiter ausbauen und verbessern will. Oft heißt es, die Reise im Taekwondo fange mit dem ersten Dan, dem Schwarzgurt erst so richtig an. Und das stimmt. Bis zu dieser Prüfung hatte ich in Abschnitten gedacht: Ich muss diesen Bruchtest können, jene Selbstverteidigung, diese Hyong. Heute weiß ich, dass das eine Art Baukasten ist. Bis zum ersten Dan lernt man das Handwerkszeug im Taekwondo, die Basis, um diese Kampfkunst auszuführen. Ab dem 1. Dan stellte sich dann für mich die Frage: „Wie möchte ich dieses Taekwondo umsetzen und leben?“ Und ich denke, ich habe meinen Weg gefunden.

Sehr wichtig war für mich dabei, dass ich fast zwei Jahre lang Schüler unterrichten durfte. Zuerst Anfänger – und es war bereichernd zu sehen, wie sich Menschen auf ihrem ganz eigenen Weg entwickeln können. Wenn jemand Schüchternes plötzlich aus sich herauskommt, jemand Unruhiges endlich seinen Fokus findet – dann ist das Taekwon-DO. Der Weg. Später bei den Fortgeschrittenen habe ich auch viel über mich selbst gelernt. Über meine Außenwirkung, meine Körpersprache aber vor allem auch über meine große Liebe zum Taekwondo und meine Freunde daran, andere dafür zu begeistern, ihnen unterstützend zur Seite zu stehen und sie auf ihrem Weg zu begleiten. Die Freude, Motivation und Erfolge der Menschen, die bei mir trainiert haben, haben mir mehr gegeben, als meine eigenen Erfolge.

Kein Sport, sondern ein Zuhause

Ich habe dieses Jahr für mein Projekt fast 52 verschiedene Sportarten gemacht. Viele davon haben sehr viel Spaß gemacht, mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Aber in keiner Sportart habe ich so sehr das Gefühl, zu Hause zu sein, wie im Taekwondo. Und zwar seelisch und körperlich. Für mich ist es nicht nur ein Sport, für mich ist es immer wieder aufs Neue der Weg zu mir selbst und etwas, das mich mit vielen Menschen verbindet, die sehr wichtig für mich geworden sind.

 

Mein Papa hat übrigens auch wieder mit dem Taekwondo angefangen. Eigentlich wollte er mir nur mal beim Training zuschauen - konnte aber schon dabei nicht stillsitzen. Inzwischen trägt er wieder den roten Gürtel - steht also auch vor seiner Prüfung zum ersten Dan. Genauso wie mein Mann Heiko und viele liebgewonnene Freunde. Ich freue mich darauf, sie auf dem Weg dorthin zu begleiten und zu unterstützen.

taekwondo tae kwon do
MIt Großmeister Gerhard Brunner (7. Dan) aus Florida nach der Prüfung zum 2. Dan.