Bogenschießen - Woche 17

Wer war noch mal Robin Hood?

Ruhig bleiben, Konzentrieren, Abwarten, Stillstehen, Fokussieren... Wer mich kennt, weiß, dass diese Dinge nicht unbedingt zu meinen größten Talenten gehören. Holzbretter mit der Faust kaputt machen, beim Snowboarden auf den Hintern fallen oder durch den Matsch einen steinigen Wanderweg hochklettern - bitte, immer her damit. Aber einen Bogen ruhig halten, das Ziel ins Auge fassen und akkurat in die Mitte der Zielscheibe treffen ist zumindest auf den ersten Blick so gar nicht meins. Trotzdem lasse ich mich darauf ein, als Robert Witthaus mich zum Bogenschießen einlädt.

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Schutzausrüstung - wichtig beim Bogenschießen

Wir haben Glück mit dem Wetter als wir uns am Schießstand der St. Sebastianus Schützenbruderschaft Köln-Niehl treffen. Im besten Fall ist Bogenschießen nämlich eine Outdoor-Sportart. Man kann die Sonne genießen und außerdem die Ziele weiter weg stellen, als in der Halle. Gut, nicht dass das für mich eine Rolle spielen würde. Ich stelle mich erstmal schön nah vor die Scheibe. Bevor es so weit ist, bekomme ich aber erst mal eine Einführung von Robert. Wie halte ich den Bogen, wie spanne ich die Sehne, wie ziele ich? Dann bekomme ich meine Schutzausrüstung für die Brust und den Arm. Gerade bei Anfängern wie mir verirrt sich die Bogensehne beim Auslösen nämlich gerne. Und landet dann schmerzhaft schwungvoll in der Armbeuge oder auf der Oberweite. Autsch. Zum Schluss bekomme ich noch einen Ledertab - der soll die Finger schützen wenn ich die Bogensehne spanne. Robert drückt mir noch einen Köcher mit Pfeilen in die Hand, den ich an meinen Gürtel hake. Ich fühle mich wie Robin Hood. Her mit dem Bogen.

Recurvebogen statt flitzebogen

Erstmal schieße ich mit einem Bogen für Anfänger. Der Mittelteil ist aus weichem Holz, das sich sanft in meine Handfläche legt. Vorsichtig "nocke" ich den ersten Pfeil ein. Er hat am hinteren Ende eine kleine Einkerbung, mit der ich ihn in der Bogensehne einspannen kann. Mit den Zeige- und Mittelfinger hake ich mich unter dem Pfeil in die Sehne und ziehe sie nach hinten. Robert schiebt meinen Ellbogen leicht nach oben und dreht meinen Körper so, dass ich komplett seitlich zur Zielscheibe stehe. "Noch stärker spannen die Sehne, Finger an die Wange." Ich ziehe mit aller Kaft aus dem Rücken und noch bevor Robert das Kommando: "Auslösen!" geben kann, lasse ich die Sehne los. Der Pfeil schnellt nach vorne - und landet in hohem Bogen irgendwo im Gebüsch. Peinlich. Ich nehme mir fest vor, beim nächsten Schuss nicht so ungeduldig zu sein.

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Konzentrieren, Fokussieren, Spannung aufbauen.

Robert findet den Fehlschuss nicht weiter schlimm, denn ihm ist der Bewegungsablauf wichtiger. Und offenbar war er damit ganz zufrieden. Ich schieße weiter Pfeile auf die Zielscheibe. Obwohl ich fest davon überzeugt bin, in die Mitte zu zielen, landen die Pfeile überall. In der Sschaumstoffmatte, an der die Zielscheibe hängt. Mal in den schwarzen Ringen, einige tatsächlich auch in den farbigen Außenringen. So langsam ist auch Ferdinand Komm zufrieden mit mir. Er ist einer der Schießleiter der Schützenbruderschaft - und er ist der Ansicht, dass ich bereit bin, seinen Profi-Recurvebogen auszuprobieren. Der ist viel komplexer aufgebaut, als mein Anfängerbogen. Mit Zielvorrichtung und langen, stabilisierenden Carbon-Stangen, die mich etwas verwirren. Mit diesem Hightech-Teil soll ich jetzt ins Ziel treffen. Und als ob das nicht reicht, soll ich auch noch weiter von der Scheibe weg gehen. Genau gesagt 18 Meter weit. So weit, wie ich bei einem Wettbewerb weg stehen müsste. Mit dem Unterschied, dass das, was auf meiner Zielscheibe der 10er-Ring ist, normalerweise die ganze Zielscheibe ist.

Bogenschießen? Risikosportart!

Den neuen Bogen muss ich anders spannen. Die Hand kommt jetzt unters Kinn, die Nase drücke ich mir an der Sehne platt. Und immer schön aus dem Rücken ziehen, nicht aus dem Oberarm. Ganz schön anstrengend. Der linke Arm macht schlapp, weil er ausgestreckt den Bogen hochhalten muss. Der rechte Arm und der Rücken jammern über die Belastung beim Spannen der Sehne. Robert und Ferdi amüsieren sich über meine ersten Schweißtropfen und rechnen vor: Bei einem Wettbewerb schießt ein Teilnehmer etwa 160 Pfeile. Mein Bogen hat eine Zugkraft von 50 Pfund - also etwas weniger als 23 Kilo. Mal 160 macht das etwas mehr als 3,5 Tonnen Zuggewicht, die ein Bogenschütze während eines Turniers bewegt. Von wegen Bogenschießen ist kein anstrengender Sport...

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Bogenschießen kann auch ganz schön weh tun.

Ich bin zum Glück noch fit und denke nicht dran, aufzuhören. Ich hab mich warm geschossen und lasse Pfeil um Pfeil auf die Zielscheibe fliegen. Und wie immer, wenn etwas gut funktioniert, werde ich übermütig, konzentriere mich nicht mehr richtig und werde ungenau. Das rächt sich beim Bogenschießen - und zwar schmerzhaft. Ich drehe den Bogenarm nicht genug aus, stehe irgendwie blöd und - BÄM! - knallt mir die Sehne erst gegen die Schulter und beim nächsten Schuss unter den Armschutz. Aua! Die Stelle in der Armbeuge wird sofort leicht bläulich. Krasser Schmerz. Und damit auch eine gute Motivation, es wieder richtig zu machen. Meinen Übermut kann die fiese Bogensehne aber nicht bremsen. Ich will jetzt die Mitte treffen. Ferdi und Robert grinsen. Die Scheibe zu treffen, ist das eine. Gezielt in der Mitte zu punkten und das möglichst mit jedem Pfeil ist eine Sache von langer und intensiver Übung. Robert stellt mir das Visier ein und schaut mir dann neugierig über die Schulter, wie ich verzweifelt versuche, ohne seine Hilfe den Pfeil in den Bogen zu legen. "Das Einnocken ist nicht so deins, oder?" "Ich weiß nicht, was du meinst", kontere ich - während mir der Pfeil komplett aus der Führung fällt. Ich krieg das blöde Ding nicht da rein gebastelt. Robert erbarmt sich und hilft mir noch mal. Dann sammle ich all meine Konzentration. Ich hebe den Bogen, ziehe die Hand langsam neben meine Wange, bis die Sehne die Nasenspitze berührt. Schulterblätter zusammen. Tief atmen. Kopf frei machen. Aufs Ziel fokussieren. Auslösen. Bogenschießen ist Meditation. Bei mir allerdings nur kurz: "Jaaaaaaaa!" Ich hüpfe rum, wie eine Fünfjährige zu Weihnachten. Ich habe tatsächlich endlich die gelbe Mitte getroffen. "Sehr gut", sagt Robert. "Belassen wir es dabei?" Aber mich hat der Ehrgeiz gepackt. Ich will nochmal die Mitte treffen. Wann sind die Olympischen Spiele? Ich muss trainineren - spätestens 2020 in Tokio will ich dabei sein.

Präzisionssportarten sollte man nicht unterschätzen

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Endlich: Mitten ins Schwarze. Ähm - Gelbe!

Natürlich gelingt mir kein weiterer Treffer in die Mitte. Und ganz ehrlich: Das gelbe, das ich getroffen habe, ist normalerweise die ganze Zielscheibe. Da 160 Mal in die winzige Mitte zu treffen, das können eben nur die richtigen Profis. Robert und Ferdi finden, dass Bogenschießen oft unterschätzt wird. Ich muss ihnen Recht geben. Nachdem ich schon mit dem zweiten Pfeil zumindest den äußeren Ring getroffen hatte, dachte ich: Na, so schwer kann das ja nicht zu lernen sein. Falsch gedacht. Gerade für so einen Hibbel wie mich würde es vermutlich sehr sehr lange dauern, die Präzision und Konzentration zu erreichen, die für erfolgreiches Bogeschießen notwendig ist. Ich schaue Robert und Ferdi beim Schießen zu: Hochkonzentriert, in sich ruhend, die Bewegungen fast schon anmutig fließend. Das erinnert mich an das Zen-Bogenschießen, über das ich mal einen Artikel gelesen habe. Dabei werden die Achtsamkeit und die ritualisierten Bewegungen des Bogeschießens genutzt, um Konzentration und Gelassenheit zu fördern. Ferdi und Robert bestätigen: Bogenschießen macht den Kopf frei. Auch ich bin in den zwei Stunden etwas zur Ruhe gekommen. Durch die Abwechslung von Anspannung und Entspannung. Durch die Fokussierung auf das Ziel. Und Spaß gemacht hat es auch. Immerhin einmal habe ich ja auch die Mitte getroffen. Immer gut, mit einem Erfolgserlebnis nach Hause zu gehen.

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Kommentare: 2
  • #1

    Joka (Dienstag, 25 April 2017 19:06)

    Liebe Caro - ich finde schon eine gute Leistung mindestens ein mal in die Mitte zu treffen.
    Alles was du erwähnt hast "Ruhig bleiben, Konzentrieren, Abwarten, Stillstehen, Fokussieren... " kann man nicht in eine Stunde lernen. Respekt für Robert und Ferdi, die dir so schnell ein bisschen von ihre eigene Begeisterung weitergeben konnten.
    Viel Spaß weiter.

  • #2

    Caro (Mittwoch, 26 April 2017 12:50)

    Danke Joka :) dafür, dass ich nur einen Nachmittag dort war hat es schon ganz schön gut geklappt!